Biddelberner Kerb in de Tornhall

Kerbgeschichte

In den Kriegsjahren fand in Büttelborn eine Bürgerbefragung über die Kerb statt... Folgende Informationen wurden damals gesammelt:

Büttelborn bei Groß-Gerau:

Die Befragung fand am 30.7.1943 statt. Um die Vermittelung der Gewährsleute kümmerten sich Herr Hauptlehrer Wilhelm Kunkelmann und Herr Lehrer (???). Letzterer war anwesend. Folgende Gewährsleute hatten sich eingefunden:

  1. Philipp Hirsch; geb. 1860. Landwirt, beide Eltern stammen aus Büttelborn
  2. Andreas Friedmann, geb. 1861, Landwirt, Vater stammt aus Büttelborn, Mutter aus Mörfelden.
  3. Philipp Best, geb. 1858, Stellmacher, Vater stammt aus Büttelborn, Mutter ebenfalls aus Büttelborn.

Der letzte Gewährsmann kam erst hinzu, als die Befragung mit der Kirchweihe bereits zu Ende war. Dann beteiligte er sich aber sehr wesentlich an der Befragung. Die Befragung fand im Saal des alten Rathauses statt.

Kirchweihbrauch:

Wurde und wird Kerb genannt, kein Sondername dafür bekannt. Michelstag legt die Kerb, liegt Michelstag auf einem Sonntag, dann ist dieser der Kerbsonntag.

Bereits in der Jugend der alten Leute gab es in Büttelborn bereits mehrere Wirtschaften. Diese hatten ihre eigenen Kerweburschen und zogen mit diesen ihre Kerb auf.

Träger des Brauches sind die Kerweburschen. Jünglinge vom 15. Lebensjahr bis zur Verheiratung. Ihr Anführer wurde erst in neuerer Zeit Kerwevadder genannt. Diese Bezeichnung ist bestimmt erst nach 1900, vielleicht aber schon vor 1914 aufgekommen. Früher wurde der Anführer nur Kerwebursch genannt.

Bei der Kerb haben sich früher manchmal die Burschen auch verkleidet, so führten sie in einem Jahr einmal die Artillerie vor. Ihre Kanone war damals ein altes Pumpenrohr. Die verkleideten Burschen, insbesondere der, der vor dem Kerwezug am Sonntag einherging und mit dem Reiserbesen kehrte, wurden nicht besonders genannt. Angeblich kennt man hier für sie nicht die Bezeichnung Merkel, Bajass oder Hammel.

Schon in der Jugend der alten Leute stand regelmäßig vor der Kerwewirtschaft der Mai. Er wurde nie im Wald heimlich gestohlen, sondern immer mit Erlaubnis des Waldbesitzers geschlagen und heimgeschafft. Der Mai ist eine Kiefer mit Wipfel, unter dem ein Kranz hängt. Am Wipfel befinden sich Bänder. Später wurde statt der Kiefer eine Flossholzstange genommen, an ihr oberes Ende ein schöner Kiefernwipfel befestigt, ebenfalls Kranz und Bänder, und aufgestellt. Die Flossholzstange war wie eine Fahnenstange angemalt und wurde mehrmals benützt. Außerdem hing außen an der Kerwewirtschaft eine Fahne, an der Spitze der Fahnenstange war ein Blumenstrauß befestigt. Das Aufhängen eines Kranzes im Saalinneren ist hier nicht üblich.

Verlauf der Kerb:

Wochen vor der Kerb kommen die Kerweburschen zusammen und beratschlagen über den Verlauf der Kerb.

Am Vormittag des Kerwesamstages fuhren sie in den Wald mit einem zweispännigen Fuhrwerk; schlugen draußen den Mai und schafften ihn nach Hause. Vor der Wirtschaft wird der Baum sofort hergerichtet und geschmückt. Der Kranz wird über das untere Stammende geschoben und unterm Wipfel befestigt. Der Kranz ist von den Burschen unterdessen hergestellt worden aus Eichenlaub, Blumen und Bändern. Sonst kommt nichts an den Kranz. Vor dem Nachtessen wird dann der Baum aufgerichtet, Jung und Alt helfen dabei mit. Dabei ist auch schon eine gereimte Rede von einem Burschen gehalten worden. Diese ist aber nicht der Kerwespruch. Beim Aufrichten wird gesungen und viel Bier getrunken, das in der Wirtschaft ausgeschenkt wird.

Kein Tanz im Freien vor dem Baum. Anschließend gehen die Burschen in die Wirtschaft: "Die Kerb wird angesoffen!".

Um Mitternacht bildet sich ein Zug zum Holen der Kerb. Geschieht an einem Nußbaum vorm Ort an der Straße gegen Darmstadt zu, wo im Vorjahr die Kerb begraben wurde. Ob im Zug der Fahnenschwinger dabei war, konnte nicht mit Sicherheit angegeben werden. Die Musikanten waren ebenfalls noch nicht da. Da bildeten die Burschen eine eigene Kapelle mit alten Gießkannen, Kroppendeckeln usw. Keiner der Kerweburschen war verkleidet. Sie hatten aber eine Hacke oder Schippe bei sich. Früher wurde das Harausgraben der Kerb nur markiert. In neuerer Zeit waren kurz zuvor zwei Burschen voraus geschickt worden, die eine Flasche Wein eingegraben hatten. Jetzt wurde sie nun in aller Öffentlichkeit wieder herausgegraben. Dabei wurde keine Rede gehalten. Nur Burschen haben sich an diesem Brauch beteiligt. Draußen auch kein Tanz. Mit Lärmen, Singen und Jodeln ging es wieder in die Wirtschaft zurück. In der Wirtschaft wurde weiter gefeiert.

Der Kerwesonntag:

Nachmittags stellt sich vor der Kerwewirtschaft der Zug auf. Früher hatte er etwa folgendes Aussehen:

Voraus ein, später auch zwei Burschen, die klownsähnlich verkleidet waren. Sie haben mit einem Reisenbesen die Straße freigekehrt und dem Zug freie Bahn verschafft. Sie trugen spitze Mützen und vor den Gesichtern Larven.

Auf beiden Seiten des Zuges springen jüngere Burschen herum, die ebenfalls fastnachtsähnlich verkleidet sind, sie schlagen, auch früher schon, mit luftgefüllten Säublasen auf die Kinder. Sie schlagen aber keine Purzelbäume.

Die eigentliche Zugspitze bildet der Fahnenschwinger. Der Bursche ist sonntäglich gekleidet und trägt eine Schärpe, seine Fahne ist rotweiß. Später trug er an der Stange statt der Fahne eine Tischdecke, die am Kerwemontag verlost wurde. Dieser Brauch ist erst in den 90-er Jahren aufgekommen, in den 80-er Jahren war er bestimmt noch nicht vorhanden.

Dann folgen drei Reiter auf geschmückten Pferden. Der mittlere Reiter ist der Kerwebursch, später auch Kerwevadder genannt. Er hat den Kerwespruch zu sagen. Die drei Reiter trugen geliehene Kostüme, sie sahen wie die Herolde aus. Der mittlere trug den Strauß in seiner Hand. Der Strauß besteht aus Gartenblumen und ist ohne Stock gebunden. Diesen Strauß hat der Bursche im Takt der Musik geschwungen.

Dann kommt die Musik zu Fuß.

Dahinter marschieren vier Kerweburschen in einer Reihe, aber mehrere Reihen hintereinander. Jeder Bursche mit einer Weinflasche und übergestülptem Glas in der Hand sie haben keine weißen Schürzen an. Sie haben dem Sprecher von ihrem Wein angeboten.

Früher, aber seltener als heute, waren bereits Wagen im Kerwezug. Es waren dies Handwägelchen oder auch große, Pferdewagen. Man hatte diese hergerichtet wie die "Haarewagen". Auf den großen Wagen hatte man auch schon die Altweibermühle dargestellt, auch wurde schon einmal darauf ein Bursche mit dem Löffel balwiert. Ausschütten von Spreu oder Wäschewaschen wurde darauf noch nicht dargestellt. Nach besonderen Darstellungen im Kerwezug gefragt ergab sich folgende Antwort:

Siebreiter ist nicht bekannt.

Kerwerad wurde etwa 1875 hier schon im Zug dargestellt. Auf dem Rad saß aber nur ein Bursche, der verkleidet war. Der betr. Bursche aber war nicht aus Büttelborn. Man kann sich nur einmal an dieses Rad erinnern, wie man es nannte, konnte nicht angegeben werden.

Doppelgestalt ist unbekannt.

[...]

Dreibeiniger Bock ist nicht bekannt.

Am Zug waren auch nie Burschen, die sich als Handwerksburschen verkleidet hatten und von einem als Schutzmann verkleideten Burschen gefangen genommen wurden.

Dieser Zug geht so durch das Dorf. Vor der Wohnung des Bürgermeisters macht der Zug halt. Der Sprecher spricht vom Pferderücken herab, dabei ladet er den Bürgermeister ein, bietet dem Bürgermeister auch ein Glas Wein an. Der Bürgermeister spricht auch ein paar Worte. Dann geht der Zug weiter vor die Kerwewirtschaft, wo der eigentliche Kerwespruch gehalten wird, ebenfalls vom Pferderücken herab. Dieser Spruch war gereimt, er bestand aus einzelnen Versen. Zwischen jedem Vers spielte die Musik ein Stück. Diese Pause wurde mit den Worten eingeleitet: Kamerad‘ schenk ein ein Gläschen Wein, es muß einmal getrunken sein. In der Pause schwingt der Fahnenträger seine Fahne, die verkleideten Burschen hupsen zum Takt der Musik und machen tanzartige Bewegungen. Im Spruch wurden schon früher die Dorfereignisse des vergangenen Jahres durchgehechelt. Nach dem Spruch beginnt der Tanz.

Der Kerwetanz:

Der 1. Tanz gehörte den Kerweburschen. Sie tanzen ihn noch in ihrer Verkleidung. Ob dabei der Kerwevadder mit dem Strauß eine Vorrunde hatte, konnte nicht angegeben werden. Sie bekamen auch noch im Verlauf des Abends ab und zu ein Solo. Keine strengen Tanzsitten mehr. Man sagte aber, daß das Mädchen, das einem Burschen einen Tanz abschlägt, diesen Tanz aber mit einem anderen Burschen tanzen will, daß das Mädchen "nunnergegeigt werde". In Wirklichkeit geschah dies aber nicht oder nicht mehr.

Folgende alte Tänze sind den Gewährsleuten in der Erinnerung: Walzer, Schottisch, Polka, Dreher-Galopp, Balwiererstanz (der betr. Bursche wurde mit dem Löffel balwiert), Herr Schmidt, Siehst de nett da kimmt er, Wenn die lustigen Maurer nicht wärn oder:

Ich sein von Klaa-Gere,

ach nemm mer doch mei Riewe mit!

Sein ich net von Klaa-Gere,

sein ich doch von Wallerstädt! (Galopp)

Kissentanz ist auch bekannt. Beim Kissentanz wurde einmal in Worfelden mit dem Kissen der schöne Kronleuchter im Wirtshaussaal zerschlagen.

Der Kerwemontag:

Die Musikanten spielen den Morgensegen, sie gehen dabei zu den Stammgästen der betr. Wirtschaft auch mitunter von Haus zu Haus. Die Kerweburschen sind unverkleidet dabei und sammeln im Korb Kuchen für die Kerwemusikanten, nicht für sich. Unterwegs kehrt man in Wirtschaften ein und macht dort ein kleines Konzert.

Gickelschlagen sei ganz früher hier schon vorgekommen. Man schlug mit verbundenen Augen auf einen Topf, keine näheren Angaben mehr möglich.

Schubkarrenrennen vor 1900 bei der Kerb ebenfalls schon vorgekommen, man drückte mehrere leere Schubkarren zur Wette. Dasgleiche vor 1900 schon Wettrollen mit leeren Bierfässern bei der Kerb.

Wettreiten: keine Erinnerungen.

Der Hammel wurde schon einmal geschmückt bei der Kerb herumgeführt. Dies ist den alten Leuten aber nur noch aus der Erzählung noch älterer Leute bekannt. Sie wissen nicht mehr, zu welchen Zweck dies geschah.

Mittags bekamen die Kerweburschen vom betr. Wirt Quellkartoffeln und Schmierkäs zu essen, dabei wurden die Tische auf die Gasse gestellt.

Mittags vor der beginnenden Tanzmusik kein Umzug mehr!

Kerwedienstag:

Ohne Brauch, kein Feiern mehr.

Nachkerb findet Sonntag nach der Hauptkerb statt, Vor der beginnenden Tanzmusik ist mittags ein einfacher Umzug mit Musik, Fahne und Kerweburschen, ohne Verkleidung, ohne Reiter und Wagen und ohne Kerwespruch.

Montag früh nach Beendigung der Tanzmusik wird die Kerb begraben. Es bildet sich wieder ein Zug: ohne Fahnenträger, ohne Musikanten. Nur die Kerweburschen sind unverkleidet dabei, keiner markiert den Pfarrer. Sie vergraben entweder Scherben oder sie verbrennen einen Bosen Stroh. Das Verbrennen der kerb aber ist erst später aufgekommen, wahrscheinlich aber schon vor 1914.

Der Kerwemai bleibt bis zum "Broreverzehrn" stehen, findet am Sonntag nach der Nachkerb statt. Hierzu ladet der Wirt die Kerweburschen und die besten Stammgäste ein. Keine Musik. Neuerdings wird dazu mit der Ziehharmonika gespielt.

Der Wirt stellt seinen Gästen den Braten, das Bier wurde von den Gästen bezahlt; später hat der Wirt auch einige Faß Bier frei gestellt.

Am Kerwemontag vor dem Nachtessen wurde die Kerwedecke verlost und mit Musik dem Gewinner ins Haus gebracht. Dieser mußte ein Trinkgeld bezahlen.

In neuerer Zeit wurde bei der Kerb auch der Mondscheinwalzer getanzt zu einem Kürbis mit Mondsichelöffnung oder einem Papierlampion.

Vielen Dank an dieser Stelle an den Heimat- und Geschichtsverein Büttelborn, der uns diese Informationen hat zukommen lassen.